Die Motorisierung in Deutschland ab etwa 1898 herum, war holprig und wurde von der breiten Bevölkerungsmasse keineswegs so euphorisch begrüßt, wie uns das anno 2011 die unzähligen Gechichtchen der Journaille zum 125-jährigen Automiljubiläum glauben machen wollten.
In Wirklichkeit wurde sie damals von den Gegner verwünscht und kritisiert, teilweise mit gewaltsamer Gegenwehr bekämpft, von den Kommentatoren beobachtet und aufgezeichnet, von den ersten bereits damals wirtschaftlich beteiligten Automobilfirmen geplant und vorwärtsgetrieben, und in höchsten Tönen gehuldigt, und mit der Motorpresse entstand bereits damals ein eigener Zweig der Publizistik, der Motorisierung begleitete und ihr ein Stück die Straßen in das Volk ebnete.
Wie Pferderennen waren auch die ersten Autorennen Werbeveranstaltungen zur Erschließung eines Marktes. Während der Pferdezüchter mit den Rennen den Wert seiner Pferde bewies, demonstrierten die Autohersteller bei Autorennen die Kraft ihrer „hochgezüchteten“ Motoren.
Am Anfang war die Kundschaft, auf die es die Autohersteller abgesehen hatten, zum großen Teil identisch mit dem Publikum, dass sich auch auf den Pferderennbahnen tummelte: reiche Equipagen-Besitzer und Pferdesportler, die bereit und finanziell entprechend gut situiert waren, eines oder mehrere Pferde, durch das neue Sportgerät zu ersetzen. Das Sprößlinge namhafter Adelsgeschlechter in den 20 er bis in die 60 er Jahre hinein häufig bekannte Rennfahrerlegenden stellten, lag mehr an deren gesellschaftlicher Stellung und der gewollten Integration der neuen Technik in vorhandene bürgerliche Eliteschichten und adelige Lebensstile begründet, als an dem höheren Benzingehalt in blauen Blut.
Das erste Automobilrennen in Deutschland, die Wettfahrt Berlin – Potsdam – Berlin, fand am 24. Mai 1898 im Rahmen einer Concour Hippique statt. Das erste richtige Automobilrennen auf einer Rundstrecke fand am 29. Juli 1900 in Frankfurt am Main, auf der Niederräder Pferderennbahn des Frankfurter Reit- und Fahrvereins statt, und die Fernfahrt Paris – Berlin ein Jahr später, endete auf der Trabrennbahn Berlin – Westend.
Ich streife hier nur ein Randthema, was mich interessiert. Wer sich dafür intensiv mit Automobil und dessen Verbreitung beschäftigen will, dem kann ich wieder einmal mein Standardwerk empfehlen, was ich seit Jahren im Regal habe und von vorne nach hinten schon mehr als einmal durchgelesen habe: Gefährliche Fahrten von Dorit Müller.
Unumstritten dürfte sein, dass bereits um 1900 herum die Strategen Vorstellungen davon hatten, wie man dem einfachen Volk die Angst nimmt und die Lust an der neuen Technik steigert. 1899 stellte Mercedes-Benz den ersten Werbechef ein, Andreas Josef Keil. Er war damit beschäftigt, Autorennen zu besuchen, anschließend darüber Bericht abzulegen und seine Ergebnisse in seine der Öffentlichkeit zugeführten Arbeiten einfließen zu lassen.
Die Spielzeughersteller waren um 1910 die ersten ▼
Die Reklametreibenden suchten indessen nach plakativen für die Darstellung der einigartigen neuen Technik und bedienten sich so vor allem bewährter Medien und Produkte. In Spielmittel. Mit ihrer Hilfe sollten Erwachsene und Kinder in die Objektwelt der Automobiltechnik hineinwachsen, sie handelnd be-greifen und ihnen die Ängste davor nehmen, und zugleich sich selbst mit ihren Wünschen und Bedürfnissen nach Mobilität darin wiederfinden.
Die inhaltliche Einkleidung der Technik in das Verspielen bildet den nächsten Schritt. Spielbrett, Spielfiguren und Spielregeln wurden nach den gleichen Regeln wie bei Pferderennspielen zu Spielgeschichten verbunden. Die Spieler übernahmen mit Hilfe der Spielmaterialien die Rollen der tollkühnen Fahrer auf ihren Motorrädern oder der Herrenfahrer in ihren Automobilen, der Rennfahrer die ihre Runden um die Rennstrecken drehten, die Spieler bemühten sich Sieger in Autorennen wie einer Mille Miglia, zu sein.
Die meistens für Kinder und Familien konzipierten Brettspiele hatten diese inhaltlichen Einkleidungen. Sie waren der Zuckerguß um ein Brettspiel, die Lockspeise, dieses Spiel zu erwerben und sich damit zu beschäftigen, findet man sich doch von diesen Spielinhalten in seinen Wünschen und Träumen angesprochen: Reisen in ferne Länder und an Orte zu machen, an die noch keine Eisenbahnstrecke führte, frei und ungebunden zu sein und hinfahren zu können wohin man wollte.
Ab 1933 gehörte die Volksmorisierung verbunden mit dem Bau der Reichsautobahnen zu Hitlers Prestige-Projekten. Deutschland sollte ein Netz moderner Straßen erhalten.
(Foto: erstes, im August 1936 erschienes Reichsautobahn – Spiel; ist heute noch gelegentlich bei Auktionen um die 40 Euro zu bekommen).
Es gab zum Beispiel andere gleichnamige Spiele wo die Aufgabe darin bestand, als erster beim Reichsparteitag in Nürnberg anzukommen. Spielerisch lernten Kinder und Jugendliche, sich in Deutschland zu orientieren und auf die “Straßen des Führers” stolz zu sein.
Ich habe hier einige Fotos besonders schöne Beispiele bis in die 70 er Jahre, die ich in den letzten Jahren aus Auktionskatalogen und -Ergebnissen gesammelt habe…
(zum Vergrößern anklicken)
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1903… Würfelspiel “Die Automobilfahrt” ▼
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1905… “Motor – Tour” (Frankreich) mit Zinn-Autos ▼
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1906… Frankreich ▼
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1906… “Motorwagen Spiel” ▼
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1910… Daimler Benz Berlin Marienfelde “Puzzle” ▼
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1915… Brettspiel “Die Automobil Fahrt” ▼
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1917… Auch die Pferde – Rennspiele wurden weiterentwickelt, wie dieses seltene Exemplar in Form einer Taschenuhr zeigt, mit dem sich englische Offiziere und Soldaten im 1. Weltkrieg die Zeit vertrieben ▼
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1920 er… deutsches Spiel, Hersteller unbekannt ▼
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1920 er… ein seltenes und wenn angeboten, nicht unter 400 – 500 Euro zu bekommendes Rennspiel ▼
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1920 er… Gotham Race Game USA ▼
1925… Werbung USA für Kinder – Rennspiele ▼
1920 er… Touring aus England ▼
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1920 er… “Rollometer Speedway” aus England ▼
1920 er… Auto Race Game, Made by Wilder Mfg. of St. Louis, Missouri▼
Gesehen: [Y]
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1920 er… Motor Race USA ▼
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1920… Brettspiel “Autorennen” ▼
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1920 er… Blechspiel aus Frankreich ▼
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1920 er “Cross Contry Racer” aus den USA ▼
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1926… “Autorennen auf dem Nürburgring” mit Mercedes-Benz Typ SS ▼
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1928… “Durch’s Ziel” – Mercedes – Benz SSK… nicht nur für mich eines der schönsten Rennspiele überhaupt, aber heute kaum mehr bezahlbar ▼
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1930… Dunlopillo mit Drehmechanismus ▼
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1930 er… Rennspiel aus Deutschland für die USA hergestellt ▼
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1930 er… Cources Autos USA ▼
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1939… KdF Wagen das Traumspiel jeden Sammlers ▼
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1930 er… Reichsautobahnen – Würfelspiel ▼
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1930 er… Faszination Nürburgring – Großer Preis von Deutschland Würfelspiel ▼
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1930 er Auto Racing Game – USA – koster heute schon mal schlappe 400 – 500 US$ ▼
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1930 er… Speedway Racing ▼
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1930 er… Lithographisch eines der schönsten Spiele die ich kenne, ganz ganz selten angeboten und heute unbezahlbar▼
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1930 er… ein Rennspiel wo der Entwickler bereits geschickt die deutschen Automarken lithographierte ▼
1930 er… “Mecanus” Blechspiel mit Handkurbeln (mein absolutes Must – Have) ▼
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1950 er… Uhrwerkmotoren lösen nach und nach die Würfel ab ▼
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1950 er… “Autorennen” Brettspiel (unter Sammlern heiß begehrt; kostet auch schon mal 350 – 400 Euro) ▼
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1950 er “Autorennen” Brettspiel ▼
1950 er… “Autorennen wie noch nie” ▼
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1950 er… “Was wird hier falsch gemacht” ▼
1950 er Jahre… immer wieder der begeisternde “Nürburgring” ▼
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1950 er… “Kameradschaft vorn” ▼
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1950 er… Achtung Rot ▼
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1950 er… Hindernissfahrt ▼
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1950 er… Frankreich ▼
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1950 er… Panamericana ▼
1964… Nintendo… mit elektrisch angetriebenen Rennwagen… von dem japanischen Hersteller der in den 70ern hundertemillionenfach verkauften Game – Boys ▼
Hier ist vorläufig erst einmal Schluss. Der Beitrag wird aber kontinuierlich weitergeführt.
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Pingback: Selbstmarketingerfahrungen mit Rennspielen
Was würde ich bloß mit der vielen Zeit anfangen, die ich sparen könnte, wenn ich nicht immer solche tollen Beiträge lesen müsste?
Bei mir war es ein Auto-Quartett, was mein Vater mit mir spielen musste, bis der Arzt kam.
Für 2012 wünsche ich Dir, dass die Copilotin wieder mehr Spaß an Euerem herrlichen Auto bekommt und wir dafür schöne Berichte und viele Fotos.
Bis nächstes Jahr.
Ich meine, ich hab noch vor ein paar Jahren im Mercedes Museum Shop ein “Mensch ärgere dich nicht” mit Automodellen gesehen.
Interessante Retrospektive.
Mecanus … haben will. Ist tatsächlich so eine Art Vorläufer der Carrera Bahnen.
Klasse Beitrag über ein interessantes Thema. Hast Du selbst auch noch ein altes Rennspiel?
Hier öfters mal reinschauen lohnt sich. Klasse.
Ich habe mir zwar kein Rennspiel gekauft aber dafür das Buch von Dorit Müller. Nach 128 Seiten sage ich Danke für den Tip.
Sehr schön gemacht. Das Spiel Reichsautobahnen habe ich erst vor ein paar Jahren beim Entrümpeln meines Elternhauses in einem Karton gefunden der bestimmt 70 Jahre lang verschlossen war. Das Spiel ist wie vorgestern im Laden gekauft.
Ein Thema, bei dem ein Historiker wie ich unter soziologischer Sicht bestimmt noch einiges dazu schreiben könnte. Trotzdem, ich bin begeistert. Dankeschön.
Ein klasse geschriebener Beitrag. Ich schätze mal, heute hat die Lunte angefangen bei mir zu brennen. Das Mecanus Rennspiel wäre mein Traum. Danke für den Tip mit der Ladenburger Automobilia Auktion
Pingback: Rennen verloren Kopf behalten
Ganz, ganz toll, Herr Kupfer. Ich kenne keine zweite Webseite mit dieser Vielzahl von Rennspielen. Daumendrück, das Sie doch das eine oder andere mal günstig erwischen.
Hallo Herr Kupfer,
“Durchs Ziel” von 1928 vom Josef Scholz – Verlag in Mainz, können Sie sich gerne bei mir nicht nur anschauen, wenn Sie möchten spielen wir auch mal ein paar Runden. Ich “sammele” seit über 20 Jahren. Ein toller Beitrag den ich gestern Abend entdeckte.
Virales Marketing schon um 1900. Ganz großen Dank dafür, was Sie hier mit bestimmt viel Zeitaufwand zusammengetragen haben. Tolle Seite.
Danke.
Ich bekomme natürlich in letzter Zeit auch viel Fotos etc. zugeschickt. Ein amerikanischer Sammler hat mir kürzlich einen ganzen Prospekt aus den 30 ern gescannt und gelegentlich bekomme ich auch direkt mal ein Rennspiel angeboten (leider meistens unerschwinglich).
Moin Detlef,
wenn Dir sowas gefällt, solltest Du Dir bei Gelegenheit aber auch mal das “Musee des Arts Forains” in Paris anschauen:
http://www.atlasobscura.com/articles/notes-from-the-field-musee-des-arts-forains
Man wird schlagartig wieder zum Kind. Ich war da vor Jahren mal – und wollte da freiwillig gar nicht mehr raus…
Eine tolle Sammlung. Besitzen Sie die alle? Falls ja, Hochachtung! Haben Sie von der DDR-Ausgabe von “Autorennen wie noch nie” die Spielanleitung?
Absolut SUPER diese Seite !!!