So eine Abfolge von Katastrophen wie im Moment, hat auch Vorteile. Tief entspannt, wie ich bin, konnte ich gestern Abend in Seelenruhe den handgeschrieben Brief von Ursel F. lesen, den sie dem Fotoalbum beigelegt hatte. Man sollte wissen, Ursel F. ist so um die 75 Jahre alt und hatte mit Hilfe der Tochter einer Freundin, mit der sie Tür an Tür in einem Seniorenheim für die besser situierte und bar jeder Riesterrente und damit Sorge um die Sicherheit ihrer Rente bestens gelaunten Silvergeneration wohnt, vor kurzem neben einigen schönen nicht mehr benötigten Habseligkeiten, ein kleines Fotoalbum im Weltauktionshaus angeboten. Eines von der Sorte, wie man sie ganz, ganz selten findet. Als dieses bei Fotosammlern und –Händlern begehrte Stück bereits bei einem dreistelligen Höchstgebot jenseits meines Budgets stand, schrub ich die Verkäuferin Ursel F. einfach mal an, ob sie mir nicht hier für den Rückspiegel, na ja, auch gegen einen bescheidenen Obulus, ein paar höher auflösende Kopien ihrer Angebots-Fotos überlassen könnte. Ganz besonders das von dem Steinzeitjäger entdeckte Foto von dem Opel – Autosalon auf der Kaiserstrasse (was nicht einmal im Institut für Stadtgeschichte archiviert ist). Zwei Tage später war das Angebot plötzlich verschwunden.
Letzte Woche lugte dann ein dicker Brief aus dem Briefkasten. Einen Moment lang dachte ich, ich träume. Das Album. Rund 150 Fotos aus der Zeit von Ende der 1920er bis etwa 1941. Eine kleine zusammengefasste bebilderte Lebensgeschichte der schönsten Erinnerungen. Und ein Brief dabei. Von Ursel F. Die alte Dame hatte aus ihren wenigen Erinnerungen an ihre Kindheit, der Tochter ihrer Freundin die Lebensgeschichte von ihrem Papa diktiert. Von Fritz F. aus Frankfurt, geboren so etwa um 1902 herum. „Fritzchen“, der Bruder Leichtfuß, der es sich inmitten der Weltwirtschaftskrise nach seinem Studium an der TH – Darmstadt leisten konnte, auch Dank eines Jobs als Konstrukteuer bei den Adler – Werken mit festem monatlichen Einkommen, zusammen mit reizvollen Copilotinnen, am Anfang noch mit schönen Adler – Motorrädern und später einem Adler Trump, viel in der Weltgeschichte umherzureisen. Und dabei schöne Fotos zu machen, wahrscheinlich sehr viele mehr als die rund 180 schönsten von ihnen, auf 39 Albumseiten und sie in ein kleines Album zu kleben, was jetzt vor mir liegt.
Ach ja, an ihre Mama, auch Ursel, hatte der Schwerennöter dann wohl in dieser wilden Zeit damals sein Herz verloren. Ursel F. hat aus ihrer Kindheit kaum mehr Erinnerungen an ihren Papa. Warum kann man sich sehr schnell denken. Auf einem der letzten Fotos von 1941 trägt er eine Wehrmachtsuniform, bevor es Richtung Osten abging. Den unglücklichen Rest der Geschichte Vieler damals kennen wir..
Erwartet hatte ich einen Brief über „früher war alles besser“, gelesen habe ich einen bebilderten Brief über die Politik der Generationen.
Hier sind ein paar Fotos aus dem Album, nicht alle, aber ein paar der schönsten…
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Wäre es unverschämt zu sagen, mehr davon?
Jahrgang 39 kann ich mich noch an die Frankfurter Altstadt und einiges von dem was auf den Bildern zu sehen ist erinnern. Solche Privatbilder erzählen sehr viel mehr über damals und die Menschen vor allem, als diese doch häufig Retortenmotive und Szenen die man in Fotogalerien über die damalige zeit meistens nur gezeigt bekommt. Dankeschön dafür.
Gruß aus Boston an meine Heimatstadt
Wolfgang Korff
Gang ganz großes Like it. Danke.
Sagenhafte Fotos. Haben Sie das Album noch?
Danke für den Link bei Facebook. Bin begeistert Haben Sie noch mehr so schöne mit Fotos unterlegten Geschichten auf Lager?